Archiv - Klimagipfel Kopenhagen 2009

Zwei verlorene Wochen für den Planeten

Die Weltöffentlichkeit erwartete von der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Kopenhagen ein  globales und völkerrechtlich verbindliches Abkommen. Damit sollten die schlimmsten Auswirkungen des vom Menschen erzeugten Klimawandels bekämpft werden. Nach zwei Wochen intensiver und zermürbender Verhandlungen erfüllt das Ergebnis dieser bislang weltweit größten Konferenz die in sie gesteckten Erwartungen nicht.

Klimagipfel Kopenhagen 2009: am Ende blieben nur übermüdete Klimadiplomaten

Bild: Am Ende blieben nur übermüdete Klimadiplomaten

In Kopenhagen war die ganze Welt zugegen. Es waren insgesamt rund 45.000 angemeldete Personen aus 193 Staaten, so die Organisatoren von dem zu den Vereinten Nationen gehörenden Sekretariat der Klimarahmenkonvention. In das Bella Center – das im Süden der dänischen Hauptstadt gelegene Tagungsgebäude - passten aber lediglich 15.000 Personen. Diese Diskrepanz hat man zu spät bemerkt. Nachdem es zunächst hieß, alle seien willkommen, riegelten Polizisten gegen Konferenz-Ende, mit Beginn des Eintreffens der Staats- und Regierungschefs, das Konferenzzentrum ab, um den vielen Vertretern von Nichtregierungsorganisationen den Eintritt zu versperren. Die dänische Gastfreundschaft war in dem Moment vorbei.

Kopenhagen 2009: Proteste im Tagungsgebäude

Bild: Zunächst gab es Proteste im Tagungsgebäude. Diese Gruppe forderte die Industrieländer auf, mehr für den Klimaschutz zu tun

Klimagipfel Kopenhagen 2009: Proteste innen

Bild: Einige Demonstranten zogen sich sogar aus, um auf ihre Ziele hinzuweisen

Die Weltklimakonferenz endete also ernüchternd: Die Einigung trägt den Namen „Copenhagen Accord“. Dieser knapp dreiseitige Text verpflichtet niemanden seinen Ausstoß an schädlichen Klimagasen wie Kohlendioxid oder Methan zu senken. Schlimmer hätte ein Ergebnis nicht ausfallen können. Denn die 193 Regierungen nehmen diesen „Accord“ lediglich zur Kenntnis. Das bedeutet: Ich kann mich daran binden, aber auch nicht. Freiwillig können sich die Staaten an die im Papier postulierte Grenze bis zu der die Erderwärmung in diesem Jahrhundert noch steigen darf binden, nämlich zwei Grad Celsius. Das ist gerade das Maximum, das unser Planet noch ertragen würde. Ansonsten drohen Unwetter bisher unbekannten Ausmaßes, fanden Wissenschaftler heraus. Aber, einige Länder wie Venezuela, Bolivien oder Saudi Arabien erkennen selbst dieses schwache Bekenntnis nicht an. Der „Accord“ beinhaltet ebenfalls jährliche Geldüberweisungen aus den Industrieländern in die ärmeren Weltregionen in Höhe von 100 Milliarden Dollar ab 2020. Damit soll den am meisten vom Klimawandel betroffenen ärmeren Regionen vor allem in Afrika geholfen werden. Einige Entwicklungsländer forderten jedoch 200 Milliarden. Und ein Sprecher der Länder des Südens kommentierte in der ersten Woche die Geldangebote reicherer Staaten folgendermaßen: „Das reicht noch nicht mal, um Särge zu kaufen,“ sagte der Sudanese Lumumba Stanislaus Di Aping. Die Finanzierungsfrage war eine der Kernpunkte dieser Weltklimakonferenz. Somit war von  vorne herein Streit zwischen armen und reichen Ländern vorprogrammiert.

Die Entwicklungsländer waren gut vertreten in Kopenhagen

Bild: Die Entwicklungsländer waren gut vertreten in Kopenhagen

Vor zwei Jahren hat die UN-Klimakonferenz auf Bali in Indonesien die so genannte „Bali Roadmap“ verabschiedet: Das ist ein Arbeits- und Zeitplan, der genaue Schritte festlegt, wie das Kyoto-Protokoll bis wann zu ersetzen ist. Kopenhagen war in dieser Road Map der Endpunkt.

Zur Erinnerung: 2007 hatte die von den Vereinten Nationen eingesetzte Kommission von Klima-wissenschaftlern (IPCC) herausgefunden, dass der Klimawandel vom Menschen gemacht ist und dass mit verheerenden Klimafolgen wie Überschwemmungen und extreme Hitzewellen zu rechnen ist, wenn die Welt nur zuschaut.  Zudem endet die so genannte Verpflichtungsperiode des berühmten Kyoto-Protokolls 2012. Von 2008 bis 2012 müssen die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen um 5,2 Prozent senken, ansonsten drohen Sanktionen. Die Europäische Union (EU) hatte sich festgelegt, ihre Emissionen bis 2012 um 8 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Die Bundesrepublik ist mit 21 Prozent dabei. Diesen Wert hat Deutschland über erfüllt und kann bereits jetzt 27 Prozent weniger Treibhausgasemissionen vorweisen als 1990. Das liegt zu einem großen Anteil an dem  Zusammenbruch der schmutzigen Schwerindustrie aus der ehemaligen DDR, die seit Anfang der 1990er Jahre bekanntlich brach liegt. Nach dem Kyoto-Protokoll gingen die Entwicklungsländer, inklusive China, keine Verpflichtungen ein, ihre Emissionen zu senken. Für den Zeitraum nach 2012 hat die Wissenschaft ausgerechnet, dass zwischen 25 und 40 Prozent Treibhausgas-Reduktionen bis 2020 notwendig sind, damit die Temperatur weltweit im Schnitt nicht über zwei Grad Celsius steigt. Bis 2050 muss dann der Schadstoffausstoss weltweit  um die Hälfte abgesenkt werden im Vergleich zu den Werten von 1990. An den Anstrengungen müssen sich  diesmal nicht nur die entwickelten Staaten beteiligen, sondern darüber hinaus ebenfalls alle wichtigen Schwellenländer wie China, Indien, Südafrika oder Brasilien.

Genau das ist nun der Streitpunkt. Denn China nennt sich zwar selbst noch Entwicklungsland, ist aber mittlerweile fast ein Industrieland und der Verschmutzer Nummer 1 weltweit, noch vor den USA. Washington und die EU verlangen deshalb vom Reich der Mitte, sich stärker beim Klimaschutz zu beteiligen. Die Chinesen ihrerseits verweisen auf das Recht, sich wirtschaftlich zu entwickeln und vor allem auf die historische Schuld der Industrieländer. Diese hätten ja seit dem 19. Jahrhundert die Atmosphäre mit Schadstoffen angereichert und seien darum diejenigen, die in Vorleistung gehen müssten. Zudem sind die Emissionen pro Kopf der Bevölkerung in China wesentlich niedriger als die in den USA oder in Europa.

Ein weiteres Problem von Kyoto: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind dem Abkommen nicht beigetreten. Und das, obwohl die USA historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen hat. Lange Zeit haben dort so genannte Klimaskeptiker behauptet, der Klimawandel sei gar nicht vom Menschen gemacht, sondern ein natürliches Phänomen, das immer wiederkehrt. Erst der neu gewählte Präsident Barack Obama hat den Ernst der Lage erkannt und gleich ein Klimaschutzgesetz vorbereitet. Dieses Gesetz muss aber noch den Senat, vergleichbar mit dem Bundesrat, passieren.

Gegen Ende der Klimakonferenz. Müde Journalisten - wacher Obama

Bild: Gegen Ende der Konferenz. Müde Journalisten - wacher Obama

 

Was waren also die Gründe für das Scheitern der Weltklimakonferenz?

Viele Gründe haben eine Rolle gespielt. Der wichtigste Faktor war: Washington und Peking, die größten Verschmutzer, konnten oder wollten sich nicht einigen. Präsident Obama weilte nur einen Tag in der dänischen Metropole und seine Rede hat keine neuen Erkenntnisse oder Angebote beinhaltet. Obwohl klar war, dass er gar nicht so viel anbieten konnte; aus innenpolitischen Gründen. Das im Kongress noch festgefahrene Klimaschutzgesetz sieht lediglich eine Verringerung von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 von vier Prozent. Das ist bei weitem noch zu wenig. Im Vergleich dazu bietet die EU 20 bis 30 Prozent und die Bundesrepublik bis 40 Prozent weniger bis 2020. Auch andere Industriestaaten haben wesentliche Senkungen ihrer Emissionen in Aussicht gestellt. Allerdings macht beispielsweise Japan seine Reduktionsziele vom Zustandekommen eines für alle verbindlichen Abkommens abhängig. Aber auch die Weltwirtschaftskrise engt den Finanzrahmen ein, der notwendig wäre, um weiter zu kommen. Auch wenn einzelne Staatenlenker und Minister zusätzliche Mittel auf dem Konferenzparkett anboten, war das den Entwicklungsländern nicht genug.

Die Rolle der Chinesen in Kopenhagen war aber auch mehr als zweifelfhaft: Der chinesische Premierminister Wen Jiabao wird wohl als der neue „Mr. Njet“ in die Geschichte der Klimaverhandlungen eingehen. China hat eine unrühmliche Rolle gespielt. Denn das Reich der Mitte ist nicht bereit, substanziell an ihrem riesigen Kohlendioxidausstoß etwas zu verändern. Schließlich will Peking die hohen Wachstumsraten auf Kosten der Gesundheit seiner Einwohner und des Klimaschutzes beibehalten. Dieser sehr kurzsichtige und nur auf den eigenen Vorteil ausgerichtete Standpunkt ist bei weitem nicht nur bei den Chinesen zu finden. Nur im Falle Chinas ist diese Haltung aufgrund seiner hohen Emissionen besonders verheerend.

Auf diese Weise wird die Kohlenstoff-basierte Wirtschaft nicht zu überwinden sein. Seit Beginn der Industrialisierung ist die Temperatur im Schnitt um 0,7 Grad gestiegen. Mit den bisher von den größten Emittenten angebotenen Absenkungen für Treibhausgase wird es auf der Erde gegen Ende des Jahrhunderts um 3,5 bis 3,9 Grad wärmer. Das ist fast doppelt soviel, wie von der Wissenschaft als noch tolerierbar eingeschätzt wird. Das sind Informationen des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Prof. Hans-Joachim Schelnhuber im Gespräch mit Bob Sperberg

Bild: Prof. Schellnhuber, Leiter des PIK, im Gespräch mit Bob Sperberg

 

Wie geht es jetzt weiter?

Sicher ist nur: Das völkerrechtlich verbindliche Abkommen, das Kyoto ersetzt, wird nicht den Namen Kopenhagen tragen. Möglicherweise auch nicht den Namen „Bonn“, wo die nächste Weltklimakonferenz in einem halben Jahr stattfindet. Ende 2010 ist Mexiko Stadt Gastgeber für die Klimadiplomaten. Gleichwohl, ist es unwahrscheinlich, dass in der mexikanischen Hauptstadt eine Einigung erzielt wird.

In die Kritik ist auch das System der Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen geraten. An diesem Prozess nehmen alle Mitgliedsstaaten der UNO teil. Die Entscheidungen sind im Einvernehmen zu treffen. Länder wie Tuvalu, eine vom Untergang bedrohte Inselgruppe im Südpazifik mit 11.000 Einwohnern, hat die selben Rechte wie China mit 1,3 Milliarden Menschen. Es ist nicht leicht hier einvernehmliche Lösungen zu finden.

Es war ebenfalls ein Fehler, alle Staats- und Regierungschefs nach Kopenhagen einzuladen. Niemals zuvor in der Geschichte hat es ein Treffen mit so vielen Staatschefs gegeben. Dies war für die Verhandlungen nicht produktiv. Ganz im Gegenteil, die Gespräche zwischen den Staaten und Staatengruppen kamen zum Erliegen. Denn die vielen Würdenträger wollten ihre Reden schwingen, und das braucht Zeit; verlorene Zeit für den blauen Planeten.

Venezolanischer Präsident Chávez unterhält sich ausgelassen vor seiner kapitalimuskritischen Rede mit dem bolivianischen Präsidenten Morales

Bild: Venezolanischer Präsident Chávez unterhält sich ausgelassen vor seiner kapitalimuskritischen Rede mit dem bolivianischen Präsidenten Morales

Venezuelas Präsident Hugo Chávez nutzte das Koferenzparkett, um den Kapitalismus zu kritisieren und den „Imperialismus des Nordens“ anzuprangern. Auf der anderen Seite wetterte der iranische Präsident Mahmoud  Ahmadinedschad bei einer Pressekonferenz gegen den Zionismus und Israel. Interessensunterschiede zwischen Nord (Industrieländer) und Süd (Entwicklungsländer) sowie Konflikte zwischen arabischen Staaten und Israel überlagerten das Thema, worum es eigentlich ging; nämlich Klimaschutz.

Aus dem Grund wird überlegt, eine Verhandlungsebene zu finden, die außerhalb des komplizierten UN-Systems liegt. Das wäre bei der Gruppe der 20 wichtigsten Industrieländer und den Schwellenländern wie China, Brasilien, Mexiko, Südafrika. Das könnte nach der gescheiterten Riesenkonferenz in Kopenhagen der richtige Ansatz sein.

 

Bob Sperberg

im Dezember 2009