Am 5. Mai 2011 fand in Blankenburg eine Bürgerversammlung zum Thema „Abwasserkanalisation“ statt. Bürgerbeteiligung ist eine wichtige Sache, die üblicherweise als Bringschuld der Verwaltung angesehen wird, und spätestens dann eilig nachgeholt wird, wenn von den Betroffenen Ungemach droht. Warum aber nicht mal zur Abwechslung aus der Bürgerschaft heraus zu einer Informationsversammlung einladen, bevor die Menschen das Gefühl bekommen, nicht ausreichend beteiligt zu werden? Das dachte sich der „Runde Tisch Blankenburg“, ein Zusammenschluss aller sozialer Einrichtungen und Initiativen im Pankower Ortsteil Blankenburg, und lud zu einer Bürgerversammlung Vertreter der Berliner Wasserbetriebe und des Tiefbauamts Pankow ein. Aber würde dieses Thema überhaupt auf genügend Interesse stoßen?
Der Erfolg war überwältigend. Etwa 350 Menschen drängten am frühen Abend in den Kultursaal zur Albert-Schweitzer-Stiftung Wohnen und Betreuen in Blankenburg. Viele mussten leider wieder unverrichteter Dinge nach Hause gehen, weil der Saal nicht annähernd so viele Leute fassen konnte. Nachdem die Fenster geöffnet wurden, harrten einige noch draußen aus, um wenigstens akustisch noch etwas mitzubekommen.
Die Wasserbetriebe brachten Pläne mit, aus denen hervorging, welche Straßen in welchem Zeitraum an die Kanalisation angeschlossen werden sollen und berichteten über das technische Vorgehen in geschlossener Bauweise. Hierbei fiel erstmalig auf, dass einige Straßen offenbar überhaupt nicht angeschlossen werden sollen, was den Anwohnern bisher nicht bekannt war und jetzt zur Überlegung führte, dort eine Unterschriftenaktion zu machen.
Der Stadtrat für öffentliche Ordnung, Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen), stellte das Procedere für die notwendigen Straßensperrungen und Umleitungen vor und versprach, dass eine gleichzeitige Sperrung zweier paralleler Straßen wie im vergangenen Jahr nicht mehr vorkommen werde. Er rief auch in Erinnerung, dass die großflächige Abwasser-Erschließung Blankenburgs im Jahre 2006 erst mühsam durch einen Beschluss im Berliner Abgeordnetenhaus erstritten werden musste und vergleichsweise schnell zur Realisierung kam.
Angesichts der stetig steigenden Kosten für die Grubenabfuhr kam die Frage auf, ob die Arbeiten sich den unbedingt bis 2014 hinziehen müssen. Die mit den Bauarbeiten einhergehenden Behinderungen waren nicht prinzipiell strittig, wohl aber war es den Anwohnern wichtig, über den genauen Zeitplan informiert zu werden und akzeptable Umleitungen und Behinderungen erwarten zu können.
Viele Fragen drehten sich um die zu erwartenden Kosten für den Abwasseranschluss und dessen Beantragung. Vor allem die Praxis, bereits bei der Abgabe des Anschluss-Antrags 50% der Gebühren vorab zahlen zu müssen, obwohl die Realisierung möglicherweise erst Jahre später erfolgt, stieß auf heftige Kritik und Unverständnis. Die Wasserbetriebe empfahlen, den Antrag erst dann zu stellen, wenn die Bauarbeiten unmittelbar bevorstehen. Das war für all jene, die bereits gezahlt hatten, verständlicherweise wenig befriedigend. Ein gewisser Handlungsdruck entsteht für die Anlieger vor allem dadurch, dass ein nachträglicher Anschluss erheblich teurer wird, als ein Anschluss im Rahmen der Erschließung, und weil es einen generellen Anschluss-Zwang gibt.
Da nicht alle Bürgerinnen und Bürger die gezeigten Pläne studieren konnten, wurden die Berliner Wasserbetriebe gebeten, diese Informationen zu veröffentlichen. Das wurde mit dem Argument abgelehnt, dass daraus Ansprüche für einzelne anzuschließende Grundstücke abgeleitet werden könnten. Statt dessen solle man die Wasserbetriebe jeweils persönlich anrufen, um den Status für seinen Hausanschluss zu klären.
Eine solche Geheimhaltungspolitik ist nicht mehr zeitgemäß, schon gar nicht nach dem Erfolg des Volksbegehrens zur Offenlegung der Wasserverträge. Vielleicht muss auch hier erst wieder öffentlicher Druck ausgeübt werden, bis die Bürgerinnen und Bürger auch außerhalb einer öffentlichen Vorführung in Ruhe Einsicht in kommunale Planungsunterlagen nehmen dürfen. Es muss endlich Schluss sein mit der überkommenen Einstellung, dass erst mal grundsätzlich alles geheim ist, was nicht ausdrücklich zur Veröffentlichung freigegeben wird.
Das riesige Interesse an dieser Veranstaltung insbesondere von älteren Menschen zeigt, dass die Information über Internet und die Printmedien alleine nicht ausreicht. Für viele ist auch das persönliche Gespräch wichtig, ergibt sich doch erst hier die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen eine Meinung zu bilden, Fragen zu stellen, Anregungen zu geben oder Kritik zu äußern.
Ein ganz wichtiger, nicht ganz offensichtlicher Effekt einer solchen Bürgerversammlung ist übrigens, dass sie die beteiligten Verwaltungen dazu zwingt, ihre Planungen besser miteinander abzustimmen und bei der Vorbereitung der Präsentation die Planung noch einmal auf Schwachstellen zu prüfen. Kaum etwas wäre nämlich peinlicher, als in der Öffentlichkeit auf kritische Fragen keine überzeugende Antwort geben zu können. Transparenz in der kommunalen Planung ist also nicht nur eine Bringschuld der Verwaltung, sie kann auch dazu beitragen, die Qualität der Planung insgesamt zu verbessern.
Martin Kasztantowicz
Runder Tisch Blankenburg